Höchst authentisch und sachkundig führte Herr Ministerialrat a.D. Wolfram Müller, Mitglied der Senioren Union Leonberg, in geschichtliche Details zum württembergischen „Schicksalsberg“ ein. Herr Müller war von 1978 bis 1986 Vollzugsleiter der Krankenhaus-Justizvollzugsanstalt Hohenasperg mit dem Aufgabenbereich Sicherheit und Ordnung; er hat sich darüber hinaus aus persönlichem Interesse mit der ehemaligen Landesfestung des Herzogtums Württemberg und ihrer wechselvollen Historie beschäftigt. Nicht zuletzt dank dieser guten Beziehungen durfte die Gruppe nun die normalerweise verschlossenen Kasematten der Festung betreten und sich einen Einblick in die für damalige Zeiten durchaus wirkungsvollen Verteidigungsanlagen verschaffen. Ebenso öffnete sich die Tür in das alte Wachlokal im Schubart-Turm, das als „Schubart-Zelle“ ausgegeben wird. Tatsächlich war der Dichter, Komponist und Journalist Christian Friedrich Daniel Schubart ein Stockwerk tiefer eingekerkert – in einem sicher ebenso unwirtlichen Raum, der heute nicht mehr zugänglich ist. Nebenher fiel der Blick auf den mit Stacheldraht gesicherten heutigen Bereich des Vollzugskrankenhauses mit sozialtherapeutischer Abteilung, das zurzeit 154 Insassen hat.
Eine intensive, nachdenklich stimmende Geschichtsstunde bot die anschließende Führung durch das Museum im ehemaligen Arsenalgebäude. Dort ist auf historischem Ort eine vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg inszenierte Ausstellung „Hohenasperg – ein deutsches Gefängnis“ zu besichtigen. Beispielhaft wird das Leben von 23 Häftlingen aus drei Jahrhunderten gezeigt. Die Historikerin Dr. Silke Knappenberger-Jans ließ mit ihren anschaulichen Erläuterungen die aus unserer heutigen Sicht mehr als grausamen und willkürlichen Justizmethoden lebendig werden, die Menschen mit einer beim jeweiligen Herrscher bzw. dessen Regierungssystem nicht willkommenen Gesinnung zum Verhängnis wurden. Der Hohenasperg, seit dem 18. Jahrhundert anfangs ein Gefängnis für in Ungnade gefallene privilegierte Adlige, füllte sich bald mit unliebsamen, politisch unerwünschten Intellektuellen und gescheiterten Revolutionären.
Der journalistisch aktive, die Verhältnisse seiner Zeit kritisch-fortschrittlich kommentierende Schubart ist sicher der auch über Württembergs Grenzen hinaus bekannteste politische Gefangene. Zehn Jahre lang, von 1777 bis 1787, war er inhaftiert und musste sich einer heftigen Gedankenbeugung – wir würden es heute Gehirnwäsche nennen – unterziehen. Schubart verließ die Haftanstalt als gebrochener Mann und starb vier Jahre später. Im 20. Jahrhundert waren der ehemalige württembergische Staatspräsident Eugen Bolz sowie der Kommunist Walter Häbich prominente Insassen des Hohenasperg. In jüngster Zeit war der im Stuttgarter Raum bekannte „Remstal-Rebell“ Helmut Palmer Patient im psychiatrischen Vollzugskrankenhaus.
Nach so viel düsteren Rückblicken in tragische Schicksale und Rechtssysteme, die wir in den größten Teilen Europas glücklicherweise überwunden haben, war ein Spaziergang in der Nachmittagssonne entlang der Festungsanlage mit weiten Ausblicken auf die Gäulandschaft eine kleine Erholung.
Zum Ausklang trafen sich viele der Teilnehmer im Gasthof „Lamm“ in Asperg, dabei wurden die begonnenen Gespräche vertieft. Es wurde beschlossen, künftig weitere Unternehmungen miteinander auszutauschen.
Ein herzliches Dankeschön an die Organisatoren und die fachkundigen Führer, die der Gruppe mit hohem Einfühlungsvermögen für das anspruchsvolle und aufrüttelnde Thema viel interessantes Wissen vermittelt haben.
Reinhild Berger, 3.5.2017